50. Kreisjägermeister- und Hegeringleitertagung 2024

Landesjägermeister Josef Schneider eröffnete die traditionelle Arbeitstagung der saarländischen Jägerschaft am Samstag, 03. Februar 2024, kurz nach 09.00 Uhr im Gasthaus Bohlen in Eppelborn-Calmesweiler. Die Tagung eröffnet den VJS-Veranstaltungsreigen früh im Jahr, um die Informationen über die Hegeringleiter in die Hegeringsitzungen der Mitglieder zu tragen. Seit einem halben Jahrhundert findet die Tagung nun schon statt und seit rund 25 Jahren in der zentralen Gemeinde Eppelborn (bis vor wenigen Jahren noch „in der Humes“). Auf dieses Jubiläum wies der Landesjägermeister bei seiner Begrüßung der Gäste und Funktionsträger stolz hin und bat die Umweltministerin Petra Berg um ihre Grußworte. Diese bedankte sich für das große Engagement der Jägerinnen und Jäger im Saarland, die einen wichtigen Beitrag für den Artenschutz leisteten. Sie kam auch auf den Wolf zu sprechen, wohlwissend dass das Thema bei Jägern und Landwirten sehr umstritten ist. Sie begrüßte, dass die Jägerinnen und Jäger sich aktiv ins Monitoring einbringen wollen.

Der Landrat des Landkreises Neunkirchen Sören Meng bedankte sich ebenfalls bei den Jägern für ihre Tätigkeit draußen in der Natur und verwies auf die jahrelange gute Kooperation seiner Verwaltung mit der Jägerschaft. KJM Edgar Kuhn habe das seltene Ereignis feiern können, kurz vor seiner Pensionierung sein 50. Dienstjahr innerhalb der Verwaltung des Landkreises ableisten zu können.

Landesjägermeister Josef Schneider gab danach einen Überblick über die aktuelle jagdliche Situation im Bund und im Land. Eine aktuelle Pressemitteilung des DJV über die steigende Anzahl von Jägerinnen und Jägern konnte er ergänzen, dass im Bund die Zahl der Jagdscheininhaber in den letzten Jahren um 36 Prozent gestiegen sei, im Saarland gebe es aktuell sogar 47 Prozent mehr Jägerinnen und Jäger als noch vor 30 Jahren. Der Aufwärtstrend für die Jagd sei nachweisbar ungebrochen und gehe einher mit einer breiten Zustimmung der Bevölkerung. Josef Schneider wies auf das Projekt „Saarland Artenreich“ hin. Im letzten Jahr sei es gelungen, eine Kooperationsvereinbarung mit dem saarländischen Umweltministerium und der Landesentwicklungsgesellschaft auf den Weg zu bringen, um die Projekte „Artenreiche Kulturlandschaft Saarlouis“ und „Artenreiches St. Wendeler Land“ auf das ganze Saarland auszudehnen.

Seit letztem Jahr habe die VJS in allen Landkreisen und im Regionalverband Saarbrücken Drohnen zur Kitzrettung im Einsatz, die sehr viele Rehkitze vor den tödlichen Mähbalken gerettet hätten. Inzwischen sei eine Vereinbarung mit dem Saarländischen Bauernverband über das Projekt Kitzrettung in Vorbereitung, die insbesondere die dringend erforderliche Meldung geplanter Mäharbeiten an die Drohnenteams vorsehe.

Zu den aktuellen Streckenstatistiken meinte er, dass der Januar noch nicht gemeldet sei und er deshalb nur Vergleiche zum Vorjahresstand durchführen könne. Danach sei wieder eine höhere Schwarzwildstrecke zu erwarten, was kein Wunder sei, da die letztjährige die niedrigste seit acht Jahren gewesen sei. Beim Rotwild und Rehwild erwarte man ähnliche Strecken wie im Vorjahr und beim Damwild eine niedrigere. Man habe aber auch beim Damwild in den letzten Jahren außerordentlich hohe Strecken erzielt und die Absenkung der Population mache sich jetzt bemerkbar Der Landesjägermeister bat wegen der weiterhin bestehenden ASP-Gefahr bei den anstehenden Hegeringversammlungen weiterhin für eine intensive Bejagung des Schwarzwildes zu werben. In diesem Zusammenhang sprach er sich dafür aus, dass das Land weiterhin die Kosten der Trichinenschau komplett übernehme. Dies sei vom Umweltministerium bislang leider nur für die Jugendklasse bis 30 kg zugesagt worden.

Der enorm hohe Krähenbestand sei wesentliche Ursache für den besonders starken Rückgang des Niederwildes im Saarland, wie der Vergleich mit anderen Flächenländern, aber auch Hamburg und Bremen zeige. Da diese seit 1987 keine Jagdzeit mehr hätten, forderte er die Jägerinnen und Jäger auf, zusammen mit den Landwirten die Möglichkeit zu nutzen, Ausnahmegenehmigungen beim LUA zu beantragen.

Wenig Verständnis habe man für die Planungen, den Tunnel über die A8 bei Perl mit einer Photovoltaikanlage zu versehen. Dieser wichtige Rotwild-Fernwanderweg müsse erhalten bleiben. Dazu solle jetzt ein wildbiologisches Gutachten eingeholt werden, wie man das Umfeld so gestalten kann, dass sowohl die PV-Anlage errichtet werden könne, aber auch noch genug Platz für das wandernde Rotwild bleibe. Auch die geplante Ansiedlung einer chinesischen Batteriefabrik auf dem Linslerfeld am Rande des Nordwarndts bei Überherrn könne nicht so einfach hingenommen werden. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen neue Industrieansiedlungen im Saarland. Hierfür sollten jedoch in erster Linie aufgegebene, frühere Industrieflächen genutzt werden!“, sagte LJM Josef Schneider. Abschließend betonte er, „dass die Zukunft der Jagd auch von unserem persönlichen Engagement und unserer Leidenschaft abhängt. Wir alle sind Teil einer Gemeinschaft, die sich für den Schutz und die Erhaltung unserer natürlichen Umwelt einsetzt. Die Jagd stellt nicht nur ein sehr hochwertiges Lebensmittel zur Verfügung, sondern spielt auch eine wichtige Rolle im Naturschutz.“

Der CDU-Abgeordnete Roland Theis, Vorsitzender des „Interregionalen Parlamentarierrates“, referierte kurz über eine Tagung in Arlon in der Wallonie (im Südosten von Belgien) zum Thema „ASP-Bekämpfung“, an der auch Vertreter der VJS und der Obersten Jagdbehörde teilgenommen hätten. Belgien, Luxemburg und Frankreich hätten mit rigorosen Maßnahmen vor einigen Jahren den ASP-Ausbruch erst isoliert und dann auch erfolgreich zum Erlöschen gebracht. Wichtig aus seiner Sicht sei, dass die Behörden und Institutionen auf den Fall der Fälle jederzeit vorbereitet seien. Hierzu müssten Übungen stattfinden und auch Materialien wie Zäune usw. eingelagert und griffbereit seien.

Dr. Sebastian Hoffmann hielt den Fachvortrag des Tages mit dem Titel „Genetische Untersuchungen an Rotwild und daraus abzuleitende jagdliche und populationsökologische Konsequenzen“. Gleich zu Anfang machte Hoffmann klar, dass Populationsgenetik keine Aussagen über Individuen treffen könne, über ihr Alter oder ihren Gesundheitszustand. Das könne nicht gelingen, da die Genetik eines Individuums zeitlebens immer gleichbleibe. Vielmehr befasse sie sich mit „Abweichungen von der Norm“. Man könne Inzucht oder Migration (Genfluss) beschreiben oder wie Populationen einen „Flaschenhals“ durchliefen und dadurch genetisch verarmten. Genetische Entwicklungen könnten generell nur durch Verpaarungen stattfinden, dementsprechend sei dies ein langfristiger und oft langsamer Vorgang, erklärte Dr. Hoffmann. Nur wenige Gen-Abschnitte seien zur Untersuchung geeignet. Sehr vielfältig seien jedoch die Materialien, die man verwenden könne. Hier kämen in Frage Fleisch, Haare, Speichel, Kot, Knochen oder auch Lauscher. Besondere Bedeutung hätten Geweihe (Knochenmaterial), da komme er nachher noch darauf zu sprechen. Eine Untersuchung zum Saarland habe er mit 28 Individuen aus Zerf, Hundscheid, Greimerath und Kell anstellen können. Anlässlich einer Drückjagd habe er sowohl Muskelgewebe als auch Lauscher sammeln können, um die Gene zu untersuchen.

In Österreich habe er eine sehr große und auch „offene“ Population untersuchen können, die auch viele Verbindungen zu anderen Populationen habe. 400 Individuen hätten ihm zur Verfügung gestanden. Es handele es sich hier um ein Beispiel für eine „diverse“ Population, erklärte Dr. Hoffmann und zeigte die entsprechenden „Marker“, die das statistisch bestätigten. Eine Population von Neuwied sei hingegen ein Beispiel für eine kleine, isolierte Population. Eine Autobahn, der Rhein, aber auch städtisches Gebiet begrenzten den Lebensraum. 18 Individuen habe er auch auf einer Drückjagd beproben können. Die Population bestehe durchgängig von 1813 bis heute. Es seien keine fremden Tiere ausgesetzt worden. Das habe sich auch durch seine Untersuchungen bestätigt. Die MtDNA sei tatsächlich bei allen Individuen identisch! Man habe aber feststellen könne, dass männliche Tiere für genetischen Austausch sorgten! Das heißt, die vorhandenen Barrieren (Rhein oder Autobahn) seien von Hirschen überwunden worden, gleich wie sie das „angestellt“ haben!

Im Vergleich könne er sagen, dass es im Nordsaarland-Hunsrück-Bereich Anzeichen für genetische Verarmung gebe und man im Vergleich zu anderen Populationen von einer eher geringen Diversität reden könne.

Das Rotwild eigne sich besonders gut für Gen-Untersuchungen. Die z.B. auch in Museen oder Sammlungen enthaltenen Trophäen seien ein riesiger Fundus an Probenmaterial, z.T. bis 270 Jahre alt. Bei keiner anderen großen Säugerart existiere eine solche Menge an Probenmaterial und Wissen über die Historie.

Dr. Sebastian Hoffmann konnte bestätigen, dass Hirsche wichtig für den genetischen Austausch seien. Diese werden zum Wandern gezwungen, wenn eine ausreichende Dichte an männlichen Tieren vorhanden sei. Deshalb plädierte er für eine „hochrechteckige“ Alterspyramide beim männlichen Wild und man solle sich überlegen, das Zielalter auf 12 Jahre anzuheben.

Dann schilderte Herr Dr. Hoffmann eine ganz besondere Rotwild-Population, nämlich die von „Bad Berleburg“. Hier habe er sehr viel Probenmaterial von Rotwildtrophäen aus der Sammlung auswerten können. Es gebe eine sehr interessante Historie, es seien nämlich in den neunzehnhundertsechziger Jahren fremde Tiere ausgesetzt worden. Diese seien sehr erfolgreich in ihrer Durchsetzungsfähigkeit gewesen, wie sich herausgestellt habe. Ein Vergleich mit den Daten europäischer Populationen habe dann ergeben, dass die Tiere aus Jaegersborg in Dänemark gestammt haben müssen und nicht, wie verschiedentlich vermutet, aus Osteuropa. Recherchen hätten ergeben, dass es zwischen den Jagdrechtsinhabern von Bad Berleburg und dem dänischen Ort verwandtschaftliche Beziehungen gegeben habe. Über die Motivation der Aussetzung könne nur gemutmaßt werden. Erstaunlich sei nun, dass diese neuen Hirsche die ursprünglichen genetisch fast komplett verdrängt hätten. Es habe eine völlige genotypische und phänotypische Veränderung in wenigen Jahrzehnten gegeben. Hier seien zwei Faktoren zusammengekommen: Der menschliche Faktor der „Hege mit der Büchse“ und der natürliche Faktor, dass die eingesetzten Tiere in der Brunft bevorzugt worden seien.

Herr Dr. Hoffmann kam zum Fazit seines Vortrages: Das Geweih sei nicht nur eine „Trophäe“, sondern tatsächlich auch ein „Fitness-Anzeiger“. Wer so viel Energie in dieses ansonsten „fast nutzlose“ Produkt investieren könne, sei nachgewiesenermaßen in seiner Umgebung sehr fit, angepasst und durchsetzungsfähig.

Die „hochmobile Art“ sei eigentlich nicht anfällig für genetische Verarmung. Die Fitness der Populationen hänge lediglich von der jeweiligen Gesetzeslage und der politischen Situation ab!

Er wiederholte seine Forderung, einen Austausch zwischen Populationen sollte erhalten oder geschaffen (Wildbrücken) werden und um die Hirsche zum Wandern zu „zwingen“, solle man sie alt werden lassen, um einen ausreichenden „Populationsdruck“ aufzubauen.

Bei einem gemeinsamen Mittagessen fand die Veranstaltung dann einen gemütlichen Abschluss.

Foto: VJS

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