Schildbürgerstreich:

Saarländische Gemeinde plant, etliche Millionen Euro Steuergeld zu entwerten

Gemeinsame Pressemitteilung befreundeter Verbände, 30. April 2025

Die Autobahn A8 verläuft in der Mettlacher Gemarkung durch den Tunnel „am Pellinger Berg“. Beim Bau des Autobahnabschnittes entschied man sich in den 90er Jahren gegen einen Einschnitt in die Landschaft und für die deutlich teurere Tunnellösung. Ziel war unter anderem, die Querung der Autobahn durch Wildtiere weiterhin zu ermöglichen. Jetzt plant die Gemeinde Mettlach auf der Tunneldecke die Errichtung einer Freiflächenphotovoltaikanlage und zäunt die Wildquerung damit weitgehend ein. Damit verliert diese ihre herausragende Bedeutung, zeigt ein aktuelles wildökologisches Gutachten des Instituts für Tierökologie und Naturbildung. Der Pellinger Tunnel ist derzeit die einzige nennenswerte Verbundachse für Großsäuger, um aus dem Saarland in Richtung Frankreich wandern zu können. Sinnvolle Maßnahmen, finanziert durch Steuergelder, drohen jetzt entwertet zu werden. Die Rotwildhegegemeinschaft saarländischer Hochwald protestiert gegen das Vorhaben und wird dabei von nationalen und internationalen Verbänden unterstützt.
Laut Aussage des Mettlacher Bürgermeisters, Daniel Kiefer (SPD), könnte die Anlage Einnahmen in die Gemeindekasse in Höhe von rund 35.000 Euro generieren. Angesichts der Baukosten des Tunnels ein Kleckerbetrag. Profitieren werden davon neben der Gemeinde wenige Flächeneigentümer und Investoren. Unter der Anlage leiden wird neben den Steuerzahlern die Biodiversität im gesamten Saarland.
Die Europäische Union verfolgt das Ziel, einen weiteren Verlust der Biodiversität zu stoppen. Das Bundesamt für Naturschutz hat dem folgend bereits 2011 eine Studie in Auftrag gegeben, die darstellt, welche Wanderkorridore für Wildtiere bestehen und wie wichtig deren Erhalt für den Arterhalt wandernder Tiere in Deutschland ist. Diese Studie bezeichnet die Wildtierquerung am Pellinger Berg als eine Verbundachse von nationaler Bedeutung – das höchste Prädikat, das diese Studie benennt.
Der Verlust von Verbindungskorridoren zwischen Säugetierpopulationen ist ein wesentliches Problem des Artenschutzes. Isolierte Populationen leiden an Inzuchtdepressionen und sterben im schlimmsten Fall aus. Um dem entgegenzuwirken ist die Wiedervernetzung von Populationen unumgänglich. Zum Ausgleichen des geplanten Eingriffes am Pellinger Tunnel wäre somit der Neubau einer Wildbrücke notwendig. Es entstünden weitere Kosten in Höhe von rund 18 Millionen Euro – die natürlich der Steuerzahler und nicht die Profiteure zu tragen hätten.

Der geplante Schildbürgerstreich in Mettlach ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Zum Profit einzelner verkennt ein Bürgermeister die landesweite Bedeutung des Pellinger Tunnels für wandernde Säugetiere und führt die damals im Sinne des Artenschutzes und der Biodiversität investierten öffentlichen hohen Geldsummen ad absurdum.

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Hintergründe

Die Rotwildhegegemeinschaft (RHG) saarländischer Hochwald bewirtschaftet das Rothirsch-vorkommen im saarländischen Teil des Westhunsrück, westlich der A1. Der Rothirsch ist das größte Landsäugetier Mitteleuropas. Die RHG sieht ihre gemeinsame Rothirschpopulation mit den im Rheinland-Pfälzischen Hochwald vorkommenden Hirschen einer Verinselung entgegenlaufend. Die Tiere können nach Norden aufgrund der Bebauungen um Trier nicht wandern, nach Osten schneidet die A1 die Korridore ab, nach Süden tut das die Siedlungsverdichtung im mittleren Saarland und im Westen die Autobahn A8, bisher noch durch den Wildtierkorridor „Pellinger Berg“ durchlässig. Der Erhalt der letzten Verbindungsachsen in Richtung Cannertal (Dept. Moselle) und Pfälzerwald ist für die RHG somit ein zentrales Thema, um den Rothirsch im westlichen Hunsrück für künftige Generationen erhalten zu können.

Foto: Forstdirektor a.D. H.-A. Hewicker

Zunehmende genetische Verarmung bei Rothirschen
Aufwändige Untersuchungen im gesamten Bundesgebiet belegen erste und teilweise dramatische Isolationsprozesse in den Rotwildlebensräumen. Erschreckende Deformationen durch angeborene Blindheit, Unterkieferverkürzungen und fehlende Schalen (so nennt man die Hufe der Wildtiere) zeigen sich mittlerweile bei einigen isolierten Rothirschpopulationen in Deutschland.

So stellt der Leiter der RHG Saarländischer Hochwald, Jörg Lohrig, klar:
„Es ist die dringlichste Aufgabe der Verantwortlichen und unverzichtbar, zur Überlebensfähigkeit der Rothirschpopulation die genetische Vielfalt innerhalb und den genetischen Austausch zwischen Rothirschgebieten sicherzustellen. Grundsätzlich leiden alle Wildtierpopulationen unter der Zerschneidung von Lebensräumen durch menschliche Infrastruktur. Wandernde Individuen stoßen an Schienen, Straßen und Bebauungen viel zu oft an künstliche Barrieren und können dann ihre Gene eben nicht ins Nachbarvorkommen einbringen. Ihre Wanderung endet oft mit dem Tod im Straßenverkehr. Die daraus folgende genetische Verarmung kann über Fitnessverlust zum Aussterben der Art führen.“

Wildökologische Betrachtung des Pellinger Berges

Vor diesem Hintergrund haben die RHG und die Vereinigung der Jäger des Saarlandes ein Gutachten bei dem renommierten Wildbiologen Olaf Simon vom Institut für Tierökologie anfertigen lassen, der zu folgendem Schluss kommt:
„Aufgrund nicht vorhandener nennenswerter Wildtierquerungsmöglichkeiten entlang der BAB A8 im Saarland erscheint die Wildbrücke „Pellinger Berg“ für die Verbindung von herausragender Bedeutung. Selbst randliche Bebauungen und Einzäunungen schränken die Funktionalität ein. Aufgrund der Einzigartigkeit dieser Wildtierquerung ist daher jegliche Bebauung abzulehnen. Eine Einschränkung des Korridors durch Bebauung würde planungsrechtlich eine kostenaufwändige Kompensation durch einen Wildbrückenneubau an anderer, ebenso geeigneter Stelle bedeuten.“

Zusammenfassung


Der Schutz der Umwelt durch regenerative Energien wird an dieser sensiblen Stelle in mehr als törichter Weise verfehlt. Der Korridor über den Pellinger Berg ist der wohl neuralgischste Punkt für Wanderungen von Rothirsch, Wolf, Luchs und Wildkatze im Saarland. Die bedenklichen Konsequenzen einer Bebauung des Tunnels, die daraus resultierende Barriere und die zunehmende Gefahr von Wildquerungen über die Autobahn an anderer Stelle bleiben seitens der verantwortlichen Behörden ohne Reaktion. Die Situation wird ausgesessen, nach alternativen Standorten für PV-Anlagen sucht niemand, das Umweltministerium in Saarbrücken bleibt untätig und verweist auf die alleinige Zuständigkeit des Gemeinderates in Mettlach. Gleichzeitig hat es das Ministerium trotz Vorarbeit des Bundes bis heute nicht geschafft, die Bedürfnisse wandernder Arten in seiner Landesentwicklungsplanung zu berücksichtigen und zu schützen. Die naturschutzfachlichen Unterlagen des Planfeststellungsbescheides zum Pellinger Tunnel, die die damalige naturschutzfachliche Zielsetzung klar benennen und dem Artenschutz an dieser Stelle den Vorrang geben könnten, findet im Ministerium schlichtweg keiner.
Der Vorsitzende

Für Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung:

Jörg Lohrig
Vorsitzender der RHG saarl. Hochwald
info@lohrig.de
0175-5206540

Benedikt Peez
Schriftführer der RHG saarl. Hochwald
benedikt.peez@gmx.de
0176-55135686