Saarländische Jagdchronik

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Notiz

Herr Jean Guillocheau, * 1919, wohnhaft 12, rue des Mélèzes, Spicheren, berichtet:

Im August 1945 zogen die Amerikaner aus dem Saarland ab und die Franzosen kamen Ich war von Anfang an dabei. Jagdlich waren die Verhältnisse im Saarland ungeordnet. Selbst die nicht zum Militärdienst einberufenen alten Jäger im Saarland hatten während des Krieges eine reguläre Bejagung nicht mehr geschafft, schon weil die Verkehrsverhältnisse unzureichend waren (Ausfall von Zügen, kein Benzin u.s.w.). Die Amerikaner hatten gelegentlich gejagt, zum Teil mit üblen Methoden, d.h. unter Gebrauch von automatischen Waffen; das ist bei den Franzosen nicht passiert. Für die Jagd in der Französischen Besatzungszone hatte man den Colonel A.J. Hettier de Boislambert ( er war später Beauftragter Frankreichs für die Jagdfragen in allen französischen Kolonien) bestellt; der war ein korrekter und passionierter Jäger. Wenn er von Unregelmäßigkeiten erfuhr, ging er der Sache nach und ließ die Schuldigen bestrafen. Seine Jagdtrophäen kann man noch im Museum von Schloß Gien sehen.

Die Militärregierung schuf Behörden für Forst- und für Jagdangelegenheiten, für letztere die «Section Régionale de l'Office des Chasses et Pêche de la Sarre». Die ersten Offiziere, welche sich um die Jagd kümmerten, waren die Commandants (Majore) Junker, ein Richter aus Straßburg, und Asion, vorher Krankenhausverwalter in Saargemünd (wohin er auch zurückkehrte).

Da die Franzosen die bisherige Abgrenzung und Zahl der Jagdreviere nicht kannten, forderten sie aus den Landratsämtern Pläne an. Dann orientierte man sich einfach an dieser Einteilung. Die Militärregierung hatte den französischen Offizieren und den Verwaltungsbeamten im Offiziersrang die Jagd gestattet, anderen Personen nur mit besonderer Erlaubnis. Im Saarland gab es etwa hundert Personen unter den Franzosen, welche sich für die Jagd interessierten Diese Interessenten lud man ein und verteilte unter sie in einer Villa nahe der Bismarckbrücke Reviere. Wer gute Beziehungen hatte, kam besser weg. Die Reviere waren zum Teil sehr groß, weil sie jeweils mehrere Gemeindejagden umfaßten; so z.B. gab es die Reviere Tünsdorf-Nohn-Orscholz-Wehingen oder etwa Kutzhof-Heusweiler-Eiweiler-Wahlschied mit je an die 3.000 ha Fläche. Das Letztgenannte bejagte ich mit den Offizieren Cogomble, Thomas, Pique und Serves, d.h. auf jeden von uns entfielen 600 ha. Das allgemeine Reglement beruhte am Ende auf der frz. VO N° 90 vom 21.04.1947. Die Preise waren überall gleich und in Franken zu entrichten, es gab jedoch einen Umrechnungskurs, zunächst l,- RM = 5 FF, ab Ende Nov. 1945 1,-RM = 12 FF. Auf diese Weise wurden die Reviere bis 1948 jährlich zugeteilt; dann kam das erste Saarl. Jagdgesetz. ( Von da ab jagten die Franzosen mit Saarländern in saarl.-frz. Jagdgesellschaften zusammen) Unter dem rein französischen Regime gab es auch eine Société de chasse de la Sarre, welche jeweils bei Bedarf Versammlungen abhielt, und zwar im Offizierskasino nahe der Christ-König-Kirche, wo später eine Zeitlang die Industrie- und Handelskammer residierte.

Die Franzosen wollten einerseits nicht überall unter sich sein, sondern auch Saarländer, welche die Reviere besser kannten, mit einbinden; u.a. brauchte man auch saarländische Treiber. Andererseits waren saarländische Jäger natürlich daran interessiert, wieder mit von der Partie zu sein. Dabei konnte man beobachten, daß sich alte Nationalsozialisten eher fernhielten. So wurden Saarländer schon ab 1946 zu Jagden eingeladen Sie bekamen eine Tagesgenehmigung aufgrund einer Liste, ohne daß dies im einzelnen schriftlich fixiert worden wäre. In meinem Bereich forderte man von ihnen jeweils eine Bescheinigung über eine Jagdversicherung. Die Saarländer bekamen vor Beginn jeweils einen Karabiner - überwiegend System 98, die schönsten Jagdgewehre hatten die Amerikaner schon mitgenommen - und 10 Schuß Munition, Am Abend lieferten sie die Waffen wieder ab. Herr Schüler z.B. hatte damals schon ständig einen Karabiner, ganz einfach weil er mit dem Chef der Sûreté zur Jagd ging. Jägerinnen gab es auch, z B. die Ehefrau Junker und die Frau des belgischen Konsuls Boyen. Später gesellte sich Frl. Hauck - von der Weinfirma in Saarbrücken - zu den Damen. Frühe Jäger waren der spätere Justizminister Erwin Müller, der Installateur Neumeyer aus Gersweiler, der Forstmeister Helmut Christmann, langjähriger Generalsekretär der Union Europäischer Forstberufsverbände. Die Einladungen begannen meist mit der Formulierung «Monsieur et Cher Confrère en St. Hubert» (etwa :' Werter Herr und St. Hubertus-Mitbruder '). Von einem Saarländer-Stammtisch weiß ich nichts.

Von den Leuten, welche sehr früh über die Wiederherstellung normaler Jagdverhältnisse miteinander gesprochen und sich dafür eingesetzt haben, kann ich nennen: an Franzosen Generalkonsul Mas, Calté, ein Lothringer, der in Aachen studiert hatte und Direktor bei den Saarbergwerken war, Gérard Luzu, aus Nancy stammend und Forstmann von Beruf (er war Chef de Service Forestier de la Sarre in der Militärregierung von 1945-1948), an Saarländern Louis Arend, Geheimrat Curt Kuchenbecker, die Forstleute Thiel und Emil Cronauer, Herr Dopfel, ein Zuckerhändler und Irish-Setter-Züchter. Ich selbst war noch ab Ende 1951 Mitglied des Ehrengerichts der VJS.

Alfred Schwarz
Saarbrücken, den 14.10.1997