Die Zahl der Wildunfälle hat im Jahr 2015 deutschlandweit einen neuen Rekord erreicht. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stieg die Zahl der Unfälle mit Rehen, Wildschweinen und anderem Wild im Vergleich zu 2014 um über zehn Prozent auf knapp 263.000. Auch im Saarland gab es einen deutlichen Zuwachs.
„Die Zahlen sind deutlich höher als in den zwei Jahren zuvor, da hatten wir deutlich weniger Unfallwild“, sagt Johannes Schorr, Geschäftsführer der Vereinigung der Jäger des Saarlandes. Bei der Rehwild-Strecke waren im vergangenen Jahr von 9702 Tieren insgesamt 1357 überfahren worden (13,99 Prozent). Die Jahre zuvor waren von 8656 Rehen insgesamt 959 im Straßenverkehr getötet worden (11,08 %) beziehungsweise 956 von 8900 im Jagdjahr 2013/2014 (10,74 %). Allerdings: „Wenn man den Schnitt der letzten 15 Jahre sieht, ist unfallmäßig gar nicht so viel passiert, wie es auf den ersten Moment aussieht“, so Schorr. Denn tatsächlich läge der Durchschnitt über die letzten 15 Jahre betrachtet beim Unfallwild bei 15,08 Prozent.
Eine relativ hohe Strecke und dementsprechend auch hohe Unfallwildstrecke verzeichnen die Saarjäger beim Schwarzwild im letzten Jahr. Von den 5872 Wildschweinen auf der Strecke waren 304 bei einem Unfall getötet worden (5,18 Prozent). „Der Schnitt der letzten 15 Jahre lag bei 4,92 Prozent“, berichtet Schorr, „also nichts Dramatisches.“
Dennoch gibt ihm die Statistik zu denken. „Die Zahlen sagen etwas – ich weiß aber nicht was“, gibt er zu. „Wir können nur spekulieren, was in den beiden letzten Jahren für eine Erhöhung der Unfallzahlen verantwortlich ist.“
Vor der Hintergrund der gestiegen Zahl der Wildunfälle im Jahr 2015 hat die Grünen-Landtagsfraktion eine entsprechende Anfrage an die Landesregierung gestellt. Sie will erfahren, wie viele Wildunfälle es im Saarland in den vergangenen Jahren gab und welche Maßnahmen die Landesregierung zur Reduzierung der Unfallzahlen ergreife. „Als Ursachen für solche Unfälle werden verschiedene Faktoren genannt“, so der Fraktionsvorsitzende Hubert Ulrich. „So behauptet die Jägerschaft häufig, dass das Wild durch die Freizeitaktivitäten von Menschen gestört wird. Wildbiologen wiederum bringen das Argument hervor, dass eine steigende Zahl von Unfällen mit einer Zunahme des Wildbestands einhergeht. Manche Landschaftsökologen nennen als Grund, dass die Habitate des Wilds durch die Verkehrswege zerschnitten werden.“
Zudem wollen die Grünen von der Landesregierung wissen, ob die an Leitpfosten angebrachten Wildwarnreflektoren in den vergangenen Jahren zu einem Rückgang der Unfallzahlen geführt haben. Doch nach Ansicht von Johannes Schnorr kann es darauf keine eindeutige Antwort geben. „Es gibt Jäger, die schwören in ihren Revieren auf diese Wildwarner und berichten, dass die Zahl der verunfallten Tiere stark zurückgegangen ist, und dann gibt es andere, die erzählen, dass alles gleich geblieben sei.“ Fakt jedenfalls sei, dass es in den letzten beiden Jahren einen „Stillstand“ beim Anbringen der Wildwarner gegeben habe. Hintergrund seien vor allem Rechts-Unstimmigkeiten mit dem Landesbetrieb für Straßenbau als Eigentümer der Straßen gewesen. „Er wollte nicht nur Gestattungsverträge abschließen und hat dafür 130 Euro verlangt, sondern er wollte auch das komplette Haftungsrisiko auf die Jäger übertragen. Da haben viele Kreisjägermeister zu Recht gesagt: Da machen wir nicht mit“, so der Geschäftsführer. „Es wäre undenkbar gewesen, was an langfristigen Zahlungen auf einen Jäger hätte zukommen können, wenn es einen schwerwiegenden Unfall in Zusammenhang mit den Leitpfosten gegeben hätte.“

Inzwischen jedoch sei man sich mit dem Landesbetrieb einig geworden. „Es gibt keine Gebühren mehr, und auch das Haftungsrisiko für die Jäger ist weg, wenn die blauen Wildwarner in Absprache mit der Straßenmeister angebracht worden sind“, berichtet Schorr.
In Zukunft würden die Jäger diese Wildwarner – die sie aus eigener Tasche finanzierten – nun wieder verstärkt anbringen. Ob sie jedoch tatsächlich helfen, bleibt offen. „Wir können nicht verstehen, dass wir mehr Wildwarner haben und warum die Zahlen trotzdem hochgegangen beziehungsweise nicht gesunken sind“, so der Geschäftsführer. „Von jagdlicher Seite können wir jedenfalls keine Ursachen erkennen.“
Und noch etwas hat für Verwunderung bei ihm gesorgt: Die Folgen dessen, dass der Landesbetrieb für Straßenbau in den letzten Jahren einen großen Anteil an Bäumen gefällt habe. „Dadurch ist unheimlich viel Deckung weggeholt worden“, so der Jäger. „Man hätte spekulieren können, dass sich dort das Rehwild dann nicht mehr so viel aufhält und auch nicht mehr so viel überfahren wird. Aber offensichtlich ist genau das Gegenteil passiert.“ Ob es einen Zusammenhang gebe, wisse er nicht. „Aber es ist auffällig.“
Der Sprecher der Saarland-Jäger appelliert, bei der Suche nach Gründen für wachsende Wildunfallzahlen auch völlig neue Aspekte in die Überlegungen mit einzubeziehen und nicht den Jägern vorzuhalten, sie hätten offenbar ihre Abschusspläne nicht erfüllt. „Vielleicht sollte man auch darüber nachdenken, dass der Spritpreis in diesem Zeitraum deutlich gesunken ist“, so Schorr. „Denn wenn mehr gefahren wird und die Autofahrer schneller fahren, steigt möglicherweise auch die Unfallgefahr.“