Fuchsbandwurm konkret
Hubert Müller (Name von der Redaktion geändert) ist jetzt 60 Jahre alt und ein humorvoller Nordsaarländer, der im Hunsrück geboren ist und sich der Region sehr verbunden fühlt. Er hatte immer schon mal das Faible, den „Jagdschein“ zu machen und kennt viele Jäger und Förster aus seinem „Beritt“. Aus zeitlichen Gründen hat es dann mit der Jägerprüfung doch nie funktioniert. Weder hatte er die Möglichkeit, in Rheinland-Pfalz einem Lehrprinzen zu folgen, noch 9 Monate lang nach Saarbrücken in den Unterricht zu fahren. Er ist viel draußen in der Natur, besitzt ein Wochenendhäuschen und einen „Rhodesian Ridgeback“. 30 Raummeter Holz macht er jedes Jahr mit seinem „ICH-Schlepper“ und seiner „Stihl 026“.
Nach einer Routine-Blutuntersuchung sagte die Sprechstundenhilfe: „Herr Müller, Ihre Blutwerte sind alle in Ordnung!“ Als er jedoch wenig später, im Februar 2014, zufällig seine Tochter zu einer anderen Ärztin begleitete, erzählte er dieser davon, dass er aus unerklärlichen Gründen abgenommen hätte und merkwürdig kurzatmig geworden sei. Die Mitteilung der Ergebnisse einer erneuten Blutuntersuchung beginnt mit den Worten der Ärztin: „Ein Wunder, dass Sie noch leben, Herr Müller! Ihre weißen Blutkörperchen sind dreifach überhöht. Wir müssen weitere Untersuchungen anstellen, um herauszufinden, was die Ursache ist. Ich tippe auf eine schwerwiegende Entzündung bzw. einen Fremdkörper!“
Mehrere Ultraschalluntersuchungen und ein CT vom 07.05.2014 zeigen eine Riesen-Zyste an der Leber. Diese Zyste drückte auf die Lunge und daher kam die Kurzatmigkeit. Die Ärztin wollte nicht punktieren. Herr Müller hätte die Punktion auch nicht zugelassen. Denn er weiß, dass vor wenigen Jahren ein ihm bekannter Waldarbeiter vier Wochen nach einer Punktion gestorben war.
Es hieß damals, der Waldarbeiter habe den Fuchsbandwurm gehabt und die Punktion habe dann die vielen Finnen freigesetzt, gegen die es dann keine Überlebenschance mehr gegeben hätte. Aufgrund der vorläufigen Diagnose „Finne von Hundebandwurm oder Fuchsbandwurm“ geht eine Blutprobe nach Hannover. Dort sei das einzige Institut, das zuverlässig nach 8 – 10 Tagen die Diagnose bestätigen und präzisieren könne.
Parallel beginnt eine „Chemotherapie“. Vier Wochen am Stück muss die „Eskazole 400 mg“ eingenommen werden. Dann gibt es eine Pause und dann kommen die Tabletten wieder zum Einsatz. Insgesamt 4 Monate lang.
Am 14.08.2014 ist es dann soweit. An der Uniklinik in Homburg ist OP-Termin. Die Saarländer haben noch Routiniers von der Charité in Berlin „eingeflogen“ und in einer fast siebenstündigen OP (6 Stunden und 57 Minuten laut OP-Protokoll) gelingt die teilweise Entfernung der Leber und der Zyste mit den durch die Medikamenteneinnahme inaktivierten Finnen. Fünfeinhalb Liter Blutkonserven werden während der aufwändigen OP notwendig. Die OP-Naht geht vom Brustbein bis in die Leiste und zeigt 64 Stiche auf!
Ultraschallbilder vom 26.02.2015 zeigen noch eine harte Schnittkante der Leber und die Ultraschallbilder vom 26.01.2016 ein schon wieder recht gutes Nachwachsen der Leber! Herr Müller nimmt es heute gelassen und freut sich noch auf viele Jahre der jährlichen Nachsorge. Seinen Beruf als Kraftfahrer hat er aber aufgeben müssen und er ist jetzt im Vorruhestand.
Froh ist er, zufällig die richtige Ärztin gefunden zu haben. Dort wo er die falsche Kunde bekam, die Blutwerte seien in Ordnung (die Sprechstundenhilfe hat zugegeben, ihm versehentlich eine falsche Auskunft gegeben zu haben), geht er nicht mehr hin. Auch ist er froh, dass die Zyste nicht vorzeitig durch einen stumpfen Schlag o.ä. (z.B. Vollbremsung mit dem Fahrzeug und reagierendem Sicherheitsgurt, meint er) oder durch eine falsche Biopsie geöffnet wurde.
Er ärgert sich aber darüber, dass der Gefahr, am Fuchsbandwurm zu erkranken, zu wenig Gehör geschenkt wird. Mit seinem Fall kennt er allein vier Fälle aus den letzten Jahren in der Region. Er hat sogar den Eindruck, dass man über so unangenehme Dinge gar nicht reden will.
Wo er sich infiziert haben könnte, weiß er nicht. Eine lange Inkubationszeit ist nicht auszuschließen. Seinen Hund jedenfalls hat er regelmäßig entwurmt und nie Anzeichen von einem Bandwurmbefall feststellen können. Abschließend meint Herr Müller: „Ich habe alle meine Befunde gesammelt und möchte meine Erlebnisse auch anderen Menschen publik machen, damit sie auf Anzeichen einer Erkrankung achten können. Wer viel in der Natur ist, kann sich auch infizieren. Leider besuchen aber auch viele Füchse nachts Gärten und Terrassen, so dass wirklich jeder mit den Eiern in Kontakt kommen kann. Man sollte den Fuchsbandwurm ernst nehmen!“
(Das dem Bericht zugrundeliegende Gespräch mit dem ehemaligen Patienten fand am 18.11.2016 in der Geschäftsstelle in Saarwellingen statt. Wir danken ihm auch für das Überlassen der Bilder zum Zwecke der Veröffentlichung.)
- Zystische Echinokokkose
Der Fuchsbandwurm (Echinococcus granulosus) ist ein kleiner Bandwurm (vier bis sieben Millimeter), der typischerweise aus drei Gliedern besteht. Sein Wirt ist der Fuchs (oder Hund oder Wolf). Als Zwischenwirt, also als Ort, wo sich die Finne entwickelt und darauf wartet, vom Fleischfresser wieder aufgenommen zu werden und wieder zum Bandwurm zu werden, fungiert typischerweise die Maus. Gefährlich für den Menschen wird es, wenn er die Eier aufnimmt und in ihm (dem Fehlwirt) sich die Finne(n) entwickelt(n). Über das Blut gelangen die Larven, die sich aus den Eiern entwickelt haben, zu 70 % in die Leber oder zu 15 % in die Lunge oder seltener in andere Organe. Dort bildet sich eine Zyste, die einen Durchmesser von mehreren Dezimetern erreichen kann und das umliegende Organgewebe verdrängt. Bei dieser Echinokokkose handelt es sich also um eine Zoonose, eine Tierkrankheit, die auch auf den Menschen übertragen werden kann.
Überall, wo Fleischfresserkot hingelangen kann, können sich Eier befinden. Auch am Fell von Fuchs oder Hund. Deshalb sollte beim Abbalgen von Raubwild das Fell nass gemacht werden, damit die winzigen Eier nicht über die Atemluft in den Menschen gelangen können.




Originalbilder der Pathologie unmittelbar nach erfolgreicher OP. So sieht die „Zyste“, also die Finne bzw. das Konglomerat der Finnen, nach der Entfernung mit Resten der Leber aus.